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November 2021

Profilschärfung: Sammlung

Mit der Anfang September 2021 erfolgten Änderung unseres Namens in »Zentrum für Trachtengewand« geht auch eine Profilschärfung der Arbeitsschwerpunkte Sammlung, Forschung und Handwerkskunst (vormals Bildung & Beratung) einher.

Begonnen hat die bis dahin unter »Trachten-Informationszentrum« bekannte Einrichtung des Bezirks Oberbayern vor über 20 Jahren als reine Fachberatung in Sachen Tracht. Dazu kamen sehr bald Modenschauen, Publikationen und Märkte.

Gleichzeitig wurde die Sammlung stetig erweitert und bildet heute das eigentliche Herzstück des Zentrums. Unsere Bestände umfassen aktuell rund 20.000 Original-Kleidungsstücke und Accessoires aus drei Jahrhunderten, circa 40.000 Fotografien überwiegend aus Feldforschungen, Archivalien wie Musterbücher, Dokumente und Manuskripte, sowie eine umfangreiche Präsenzbibliothek mit zahlreichen bibliophilen Kostbarkeiten.

Professionelle Inventarisierung

Jede Sammlung in öffentlicher Hand ist in dem Maß wertvoll, in dem sie detailliert erfasst, allgemein zugänglich und die Eigentumsfrage geklärt ist. In allen modernen bestandshaltenden beziehungsweise -bildenden Einrichtungen spielt die professionelle Inventarisierung eine zunehmend wichtige Rolle. Tatsächlich sind viele Objekte in kleineren und größeren privaten wie öffentlichen Sammlungen bis heute unzureichend dokumentiert; oft ist eine einfache handschriftliche Eintragung in ein hundertjähriges Eingangsbuch schon ein wahrer Glücksfall. Das liegt daran, dass die Objektgeschichte ursprünglich nicht unbedingt im Fokus der Forschung lag und Provenienzen nicht konsequent erfasst wurden. Vielmehr verschaffte die Einzigartigkeit oder das pittoreske Erscheinungsbild eines Exponats den Sammlern und Jägern bereits genügend Befriedigung, ohne dass tiefer in die Historie der Beute eingetaucht wurde. Außerdem war das Zusammentragen und Aufbauen einer Kollektion an sich schon ein zeit- und kräfteraubender Vorgang und manchmal Selbstzweck. Einheitliche Richtlinien, wie ein Objekt zu erfassen und zu beschreiben ist, fehlten und fehlen zum Teil bis heute. Überlegungen zu etwaigen moralischen Bedenken zum rechtmäßigen Erwerb von Objekten wurden oft gar nicht erst angestellt. Nicht umsonst ist die Restitution von Kunstwerken an die ursprünglichen Eigentümer oder deren Nachfahren heute ein sensibles Thema.

Schadstofffreie Archive

Noch unbeliebter als Überlegungen zu einer Restitution ist die gefährliche Angelegenheit mit den Schadstoffen, die sich in irgendeiner Form in fast jedem Fundus finden. Aus dem Haushalt sind uns allen Schimmelpilze und deren Sporen bekannt, die sich ebenso gerne auf Sammlungsgegenständen aufhalten und ablagern, wenn das Klima günstig ist. Unbekannter sind dafür Chemikalien, die sich zum Beispiel in Farben (Bleiweiß) oder präparierten Tieren (Arsen) finden. Dazu viele weitere Substanzen, die aufgrund von präventiven Maßnahmen oder einem aktuellen Schädlingsbefall verwendet wurden. Dazu gehören hochflüchtige Kohlenwasserstoffe, Holzschutz- und Wollschutzmittel genauso wie polychlorierte Biphenyle (PCB).
Orientierende Schadstoffmessungen ergaben in unserem Fundus keine chemischen Substanzgruppen in auffälliger Konzentration. Das liegt unter anderem daran, dass der Bestand in Benediktbeuern aus privaten Haushalten stammt und nicht aus häufig belasteten Museumsbeständen. Schimmelsporen sind für uns ein großes Thema, dem wir allerdings nicht machtlos gegenüberstehen. Die vorsichtige Reinigung mit einer Absauganlage samt speziellen Filtern ist neben dem persönlichen Schutz gegen belastete Stäube mittels Masken eine der möglichen Maßnahmen. Präventiv zum Einsatz kommt in Benediktbeuern ausschließlich eine der umweltfreundlichsten Methoden zur Schädlingsbekämpfung ohne den Einsatz gefährlicher Chemikalien: »Anoxia«, eine Stickstoffgenerierung vor Ort, um Sammlungsbestände anoxisch gegen Befall von Schadinsekten zu behandeln.

Stand und Planungen unserer Sammlungspolitik

Der Bestand des Zentrums für Trachtengewand, der bis auf eine Handvoll Leihgaben Eigentum des Bezirks Oberbayern ist, kann mit Fug und Recht als erfasst gelten und ist frei von Objekten, die eventuell restituiert werden müssten. Gleichzeitig ist ein Großteil der Schätze bei weitem noch nicht so inventarisiert, wie wir uns das wünschen, ganz zu schweigen von der Möglichkeit unseren Bestand digital sichtbar zu machen. Ein sehens- und lesenswertes Feigenblatt stellen einstweilen die monatlichen Kabinettstücke dar, die Sie auch im Newsletter wiederfinden können. Der Bezirk trägt den modernen Ansprüchen Rechnung und führt kommendes Jahr eine einheitliche Inventarisierungs-Software für seine Einrichtungen ein. Dann heißt es zunächst die bereits gesammelten Daten zu migrieren und ständig weiter einzupflegen. Das bedeutet eine fortlaufende Nummernvergabe, fotografische Dokumentation, standardisierte Beschreibung und Verschlagwortung. Dazu gesellt sich eine weitere Herausforderung: Passen all die über Jahrzehnte erworbenen Stücke in das aktuelle Sammlungskonzept und wenn nicht, wie kann ordnungsgemäß »entsammelt« werden?

All diese Themen, die hier nur angerissenen sind, lassen erahnen, wie komplex eine verantwortungsvolle und in die Zukunft gerichtete Sammlungspolitik ist.

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