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Kabinettstück September 2022

Mei, so a liabs Pupperl!

Trachtenpuppen rühren manche Menschen zutiefst an. Vielleicht, weil sie in konzentrierter Form Tradition, Kindchenschema, Klischee und Heimatsehnsucht ausstrahlen. Gemeinsam ist fast allen Figuren eine liebevolle und möglichst detailgetreue Gestaltung en miniature, ähnlich den bekannten Buddelschiffen aus dem hohen Norden Deutschlands. Beide, die Trachtenpuppen und die Buddelschiffe, haben es schon in diverse Museen und Sammlungen geschafft. Unsere Dame ist mit einem hochfestlichen Gewand bekleidet, das im Tölzer und Miesbacher Land verbreitet ist, dem sogenannten Schalk. Nur das Oberteil mit rund um den Halsausschnitt laufender Garnier aus Rüschen und einem kleinen Schößchen ist der eigentliche Schalk, der dem ganzen Gewand seinen Namen gegeben hat. Zu der Schoßjacke gehören Rock, Schürze, Halstuch und der Schnurhut mit Goldschnüren, Quasten samt aufgesteckter Blume. Die überbordende Blütenpracht im Ausschnitt stammt aus der Zeit um 1920 und wird scherzhaft »Balkon« genannt. Das erinnert wiederum an die Geranienkaskaden, die vermeintlich zu den oberbayerischen Balkonen gehören wie der süße Senf zur Weißwurscht. Es ist alles eine Geschmackssache. (AKW)

Abbildung:
Puppe, zweites Drittel 20. Jahrhundert, Bayern, Seide, Leinen, Baumwolle, Wolle, Metallfaden
Fotografie Dirk Tacke
Sammlung Bezirk Oberbayern | Zentrum für Trachtengewand

Ka·bi·nett·stück
Substantiv [das]

1. sehr geschicktes, erfolgreiches Handeln
2. besonders schöner, wertvoller Gegenstand

Das sogenannte »Kabinettstück« kann entweder ein ungewöhnlich geschicktes und erfolgreiches Handeln sein oder ein besonders schöner und wertvoller Gegenstand. Die zweite Definition trifft auf abertausende Exponate aus den Sammlungen des Zentrums für Trachtengewand zu. Ob Kleidungsstücke, Accessoires, Fotografien, Grafiken oder Bücher – in Benediktbeuern besitzt der Bezirk Oberbayern einen Schatz aus über drei Jahrhunderten. Um einen Einblick in die reichen Bestände zu geben, stellen wir jeden Monat ein Kabinettstück vor. Dabei können Materialien, die Seltenheit, das Muster oder die Geschichte hinter den Originalstücken im Vordergrund stehen.

Die Digitalisierung und die Veröffentlichung der Sammlungen des Zentrums für Trachtengewand im Netz ist eine groß angelegte Arbeit, die sich noch über viele Jahre erstrecken wird. Einen Vorgeschmack auf dieses Zukunftsprojekt bietet unser monatlich erscheinendes Kabinettstück.
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