Der Heilige und der Schlagring
Auf den ersten Blick wirkt dieser Männerring völlig harmlos. In der etwas eingedrückten Fassung ist ein Medaillon mit der Heiligendarstellung des Franziskaners Antonius von Padua samt Jesuskind zu erkennen. Der hl. Antonius wird bis heute angerufen, um verlorene Gegenstände wiederzufinden und ist nicht mit seinem Namensvetter, dem Eremiten Antonius, zu verwechseln, der in der Volksfrömmigkeit auch als Patron der Schweinehirten firmierte. Mit solchen Feinheiten der Christenlehre nahm es die katholische Landbevölkerung früher allerdings nicht so genau. Die Antonius-Ringe sind mit scharfen, bis zu 5 Millimeter hohen, Rändern versehen, die manchmal spitz gezackt sind. Am kleinen Finger der rechten Hand getragen, wurden sie im 19. Jahrhundert bei Raufereien als Schlagring benutzt. Warum ausgerechnet ein Heiliger – noch dazu mit einem unschuldigen Kind auf dem Arm – diese Waffe tarnte, ist dem Autor dieser Zeilen bis heute ein absolutes Rätsel. (AKW)
Abbildung:
Antonius-Ring, drittes Drittel 19. Jahrhundert, Silberlegierung, Schiene im Schrägbanddekor, Fassung mit kordiertem Draht und Medaillon, links und rechts je ein Engelskopf mit Flügeln im Stil der Renaissance
Fotografie Dirk Tacke
Sammlung Bezirk Oberbayern, Zentrum für Trachtengewand
Ka·bi·nett·stück
Substantiv [das]
1. sehr geschicktes, erfolgreiches Handeln
2. besonders schöner, wertvoller Gegenstand
Das sogenannte Kabinettstück kann entweder ein ungewöhnlich geschicktes und erfolgreiches Handeln sein oder ein besonders schöner und wertvoller Gegenstand. Die zweite Definition trifft auf abertausende Exponate aus den Sammlungen des Zentrums für Trachtengewand zu. Ob Kleidungsstücke, Accessoires, Fotografien, Grafiken oder Bücher – in Benediktbeuern besitzt der Bezirk Oberbayern einen Schatz aus über drei Jahrhunderten. Um einen Einblick in die reichen Bestände zu geben, stellen wir jeden Monat ein Kabinettstück vor. Dabei können Materialien, die Seltenheit, das Muster oder die Geschichte hinter den Originalstücken im Vordergrund stehen.
Die Digitalisierung und Veröffentlichung unserer Sammlungen im Netz ist eine groß angelegte Arbeit, die noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Einen Vorgeschmack auf dieses Zukunftsprojekt bietet das monatlich präsentierte Kabinettstück.