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August 2023

Feldpost und Familienfotos: Ein Sammlungsfund mit Geschichte

Die Sammlung des Zentrums für Trachtengewand umfasst aktuell rund 20 000 Kleidungsstücke und Accessoires, sowie 40 000 Fotografien und andere Archivalien. Dass sich dazwischen aber auch immer wieder welche verstecken können, die in Vergessenheit geraten sind, zeigt ein Fund von Dokumenten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs: Lea Sophie Rodenberg (Sammlungsleitung) und Katharina Schlereth (Freiwilligendienstleistende) stießen in diesem Fall bei ihrer regelmäßigen Schädlingskontrolle in der Sammlung auf eine Reihe von Briefen, Postkarten und Fotografien, welche zu einem Trachtenkonvolut aus einer privaten Sammlung gehören. Katharina Schlereth beschäftigte sich genauer mit einem Fund.

Als Freiwilligendienstleistende gehört es zu den Ausbildungsinhalten, ein eigenständiges Projekt durchzuführen. Wie der Name schon sagt, ist es dem/der Freiwilligendienstleistenden dabei überlassen, wie dieses Projekt aussieht. Katharina Schlerethdazu entschied sich, die Nachforschungen rund um die wiederentdeckten Briefe und deren Inventarisierung zu meinem Projekt zu machen. Wie sich bei der Recherche herausstellte, stammen diese aus dem Nachlass der Familie Wi.* und sind größtenteils in Sütterlinschrift verfasst. Um sich einen Überblick über die familiären Verhältnisse zu verschaffen, wurden Transkripte angefertigt sowie einen Stammbaum angelegt, der unter diesem Beitrag zu sehen ist.

Der meiste Briefwechsel fand zwischen den Geschwistern Moritz Wi. und Elisabeth Wo. statt. Deren Mutter Walburga Wi. ist in der Abbildung ganz oben auf den Bildern, welche ebenfalls Teil des Funds waren, jeweils rechts in bürgerlicher Kleidung zu sehen. Moritz Wi. war während dem Zweiten Weltkrieg für die Nationalsozialisten als Kriegsgerichtsrat tätig. In den Briefen und Postkarten an seine Familie schrieb er viel von seiner Arbeit und dem Krieg. Von bevorstehenden Versetzungen, seiner Wohnsituation und der Stimmung unter den Kameraden ist die Rede. Man erhält aber auch Einblick in das Familienleben. So ist zum Beispiel die Hochzeit von Moritz und Margarethe immer wieder Thema: Mehrere Bekanntmachungen, Einladungen, ein kleines Fotoalbum und auch eine Speisekarte vom Hochzeitsfest finden sich zwischen den Briefen und Postkarten (Abbildung 3). Glückwünsche zum Geburtstag oder der Geburt von Elisabeths Tochter Hedwig kommen ebenfalls vor. Elisabeth sieht man auf den Fotos (Abbildung 2) ganz links als kleines Kind in einem Dirndl und in der Mitte dann als junges Mädchen in städtischer Kleidung. Ganz links trägt sie ein Kleid mit Schürze, das zwischen bäuerlichem und bürgerlichem Kontext steht, es ist angelehnt an die Trachtenmode der Zeit.

Allerdings geht es in den Briefen nicht nur um geplante Besuche und Familienfeste, auch unerfreuliche Dinge wie die schwerwiegende Erkrankung von Margarethe (Frau von Moritz) im Jahr 1940 sind Gegenstand der Konversation. Was mit Moritz Wi. oder den anderen Familienmitgliedern nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung vom Nationalsozialismus geschehen ist, ist nicht ersichtlich. Der letzte Brief, der uns vorliegt, datiert von März 1941. Insgesamt besteht der Nachlass aus rund zehn Postkarten, acht Briefen und dreißig Fotografien, die von jetzt an das Archiv des Zentrums für Trachtengewand bereichern.


*Aufgrund des Schutzes der Persönlichkeitsrechte werden Nachnamen abgekürzt.

Abbildungen: Bezirk Oberbayern | Zentrum für Trachtengewand


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