Ein graugrüner Farbakkord
Grau und Grün sind die Farben einer Berufskleidung, die sich im Alpenraum im 18. und 19. Jahrhundert unter anderem für bayerische Jäger im höfischen Kontext etabliert hat. Insbesondere im alpinen Raum hat sich die ländliche Männermode an diesem Vorbild orientiert. Die graugrüne »jagerische Joppe« in ihrem kurzen biedermeierlichen Schnitt mit Stehkragen, zwei Knopfreihen und beidseitig aufgeschlagenen Revers war Vorbild für eine Trachtenmode, die zunächst in der ländlichen und folgend in der städtischen Kleidungskultur entlang des Alpenraums und darüber hinaus ihren Niederschlag fand. Dogmatisch festgelegte Unterschiede in Schnitt und Verzierung gehen in erster Linie auf die Entwürfe von Trachtenmanufakturen zurück, die ab den 1920er-Jahren in Werbeprospekten verschiedene Typen anboten und teils willkürlich bestimmten Regionen namentlich zuordneten. So entstanden sogenannte »Miesbacher«, »Berchtesgadener« oder auch »Werdenfelser« Joppen, die sich bis heute unter diesen Bezeichnungen halten. Drei auffällige Merkmale dieser grün eingefassten Joppe aus dem Werdenfelser Land sind die Applikationen auf den Revers in Form von Eichenblättern, die roten Taschenfütterungen und die Knöpfe aus den beschnitzten Rosen der Gehörne von Rehböcken. Die Joppen wurden in der Regel offen getragen, konnten aber bei Bedarf durch den Übertritt geschlossen werden, was auf unserer Abbildung gut zu erkennen ist. (AKW)
Abbildung:
Männerjacke, erstes Drittel 19. Jahrhundert, Werdenfelser Land; Tuch, Innenfutter Baumwolle, Knöpfe aus Rehbockrosen
Sammlung Bezirk Oberbayern | Zentrum für Trachtengewand
Fotografie Dirk Tacke
Ka·bi·nett·stück
Substantiv [das]
1. sehr geschicktes, erfolgreiches Handeln
2. besonders schöner, wertvoller Gegenstand
Das sogenannte Kabinettstück kann entweder ein ungewöhnlich geschicktes und erfolgreiches Handeln sein oder ein besonders schöner und wertvoller Gegenstand. Die zweite Definition trifft auf abertausende Exponate aus den Sammlungen des Zentrums für Trachtengewand zu. Ob Kleidungsstücke, Accessoires, Fotografien, Grafiken oder Bücher – in Benediktbeuern besitzt der Bezirk Oberbayern einen Schatz aus über drei Jahrhunderten. Um einen Einblick in die reichen Bestände zu geben, stellen wir jeden Monat ein Kabinettstück vor. Dabei können Materialien, die Seltenheit, das Muster oder die Geschichte hinter den Originalstücken im Vordergrund stehen.
Die Digitalisierung und die Veröffentlichung der Sammlungen des Zentrums für Trachtengewand im Netz ist eine groß angelegte Arbeit, die sich noch über viele Jahre erstrecken wird. Einen Vorgeschmack auf dieses Zukunftsprojekt bietet unser monatlich erscheinendes Kabinettstück.