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Kabinettstück Juni 2023

Das Mieder – Zwischen Tracht und Mode

Das Mieder hat in den letzten knapp 300 Jahren oft seine Form gewechselt, ist jedoch immer ein meist durch Schnürung enganliegendes Oberteil in der Frauenbekleidung geblieben. Lange Zeit wurde das Mieder als Oberbekleidung getragen, bis es sich im Directoire, Empire und spätestens im 20. Jahrhundert vor allem als Unterbekleidung durchgesetzt hat. In der Tracht jedoch blieb das Mieder als Oberbekleidung erhalten.

Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts wurden Rock und Mieder in der Regel zusammengenäht, wodurch sie eine Einheit bildeten. Doch bereits im 17. Jahrhundert trug die bürgerliche Frau ein vorn offenes, geschnürtes Mieder, das mit einem separaten Rock kombiniert wurde.
Um sich perfekt an die Trägerin anzupassen, wurden im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts seitliche Laschen angefügt, die in der Taille herabhingen und unter dem Rock verschwanden. Die leicht spitzzulaufende vordere Partie des Mieders wird als „Schneppe“ bezeichnet und liegt, ebenso wie die breite, abgesteifte Lasche in der Mitte hinten, über dem Rock. Die geschickte Anordnung dieser Elemente betonte die Taille und verlieh der Trägerin eine besonders feminine Figur.
Das hier gezeigte Mieder besteht aus einem festen Leinenunterstoff, der mit Fischbein verstärkt ist. Der Oberstoff aus Seide ist mit einer Posamentenborte geschmückt, was dem Mieder seinen ästhetischen Reiz verleiht. Die Laschen aus Leder sind robust und halten der Reibung des schweren Rocks über lange Zeit stand.
Heute erlebt das Mieder eine Renaissance in der Modewelt. Designerinnen und Designer haben die zeitlose Eleganz dieses Kleidungsstücks wiederentdeckt und präsentieren moderne Interpretationen, die Tradition, Tracht und zeitgenössische Elemente gekonnt vereinen. (LSR)

Abbildung:
Mieder, Ende 18. Jh., Oberbayern, Seide, Posamenten, Fischbein, Metallhaken, Leder, Leinen
Fotografie Dirk Tacke
Sammlung Bezirk Oberbayern | Zentrum für Trachtengewand

Ka·bi·nett·stück
Substantiv [das]

1. sehr geschicktes, erfolgreiches Handeln
2. besonders schöner, wertvoller Gegenstand

Das sogenannte Kabinettstück kann entweder ein ungewöhnlich geschicktes und erfolgreiches Handeln sein oder ein besonders schöner und wertvoller Gegenstand. Die zweite Definition trifft auf abertausende Exponate aus den Sammlungen des Zentrums für Trachtengewand. Ob Kleidungsstücke, Accessoires, Fotografien, Grafiken oder Bücher – in Benediktbeuern besitzt der Bezirk Oberbayern einen Schatz aus über drei Jahrhunderten. Um einen Einblick in die reichen Bestände zu geben, stellen wir jeden Monat ein Kabinettstück vor. Dabei können Materialien, die Seltenheit, das Muster oder die Geschichte hinter den Originalstücken im Vordergrund stehen.

Die Digitalisierung und die Veröffentlichung der Sammlungen des Zentrums für Trachtengewand im Netz ist eine groß angelegte Arbeit, die sich noch über viele Jahre erstrecken wird. Einen Vorgeschmack auf dieses Zukunftsprojekt bietet unser monatlich erscheinendes Kabinettstück.
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